1980 — 1990
Beitrag Nr. 03
Nach der Gründung 1983 nimmt die Jugendwohnhilfe ihre Arbeit auf im zähen Ringen um Vertrauen im privaten Vermietungssektor. Mit dem Erwerb von Liegenschaften erreicht sie bald das eigene Zwischenziel von hundert vermieteten Wohnungen in fünf Jahren.
Als Hauptziele der Jugendwohnhilfe deklarierte der damalige Präsident Sigi Feigel gleich nach der Gründung 1983 einerseits die Beschaffung von billigem Wohnraum auf «möglichst unkomplizierte und unbürokratische Art». Nicht weniger als hundert Wohnungen sollten bis Ende 1988 vermietet werden können. Andererseits ging es darum, in der Rolle als «Bindeglied zwischen der Welt der Erwachsenen und der Jugend» private Ressourcen zu mobilisieren. Gerade zu Beginn der Tätigkeit der Jugendwohnhilfe beschränkte sich die Vermittlung Liegenschaften auf jene der Stadt Zürich, private Anbieter blieben zurückhaltend.
Die erste Liegenschaft der Jugendwohnhilfe, die sie von der Stadt Zürich im Baurecht übernehmen konnte.
Blick auf die Breitensteinstrasse 7 in Wipkingen 1985 und heute.
«Die Rolle der Stadt für den Erfolg des JUWO kann kaum unterschätzt werden», meint Jean-Marc Hensch, Präsident des heutigen JUWO. In der Tat war die Unterstützung der Stadt in den ersten Jahren der Jugendwohnhilfe zentral: Nicht nur waren da die Liegenschaften, die die Stadt dem Verein zuhielt, sondern auch finanzielle Beiträge. Ab 1986 unterstützte auch das städtische Büro für Wohnbauförderung die Jugendwohnhilfe mit zinslosen Darlehen aus dem Jugendwohnfonds. Dies ermöglichte, den Mietzins um dreissig Prozent gegenüber einer reinen Kostenmiete zu senken.
Nicht zuletzt profitierte aber auch die Stadt Zürich davon, dass die Jugendwohnhilfe wie auch der Verein Zürcher Jugendwohnungen (VZJW) in einer politisch und gesellschaftlich schwierigen Zeit pragmatische Lösungen für die Wohnungsnot einer jungen Generation schufen. Emilie Lieberherr, damals Vorsteherin des Sozialamts in Zürich und Stiftungsrätin der Jugendwohnhilfe, meinte 1994 rückblickend, die Jugendwohnhilfe sei in den ersten zehn Jahren ihres Bestehens «zu einem wesentlichen Bestandteil der Jugendpolitik Zürichs geworden».
Die Entwicklung des Vereins verlief aber nicht nur gradlinig. 1985 ging es mit den Vermietungen nur in kleinen Schritten voran. Vorstandsmitglied Claudia Depuoz stellte etwas enttäuscht fest, dass die Arbeit der Jugendwohnhilfe zwar geschätzt wurde, vielfach blieb es aber nur bei einer «verbalen Unterstützung» der Anliegen des Vereins. Das reichte auf Dauer nicht. Um weiterzukommen, brauchte es eigene Liegenschaften. Und um diese zu erwerben, war eine Stiftung die beste Rechtsform. In der Zeit der Stagnation kam just ein Lichtblick: Dank der Vermittlung von Sigi Feigel spendete der Verein Zürcher Brockenhaus 1985 einen Betrag von 200 000 Franken an die Jugendwohnhilfe. Dies ermöglichte den Erwerb der ersten eigenen Liegenschaft an der Breitensteinstrasse 7 in Wipkingen – im Baurecht von der Stadt Zürich.
Am 29. Mai 1985 wurde die Gründung der Stiftung vom Vereinsvorstand der Jugendwohnhilfe beschlossen. Die Stiftung war fortan zuständig «in der Stadt Zürich und Umgebung preiswerten Wohnraum zu beschaffen und zu unterhalten». Diesen übergab sie dann zur Vermietung dem Verein. Auch im Vermietungsgeschäft ging es nun vorwärts: 1986 konnte die Jugendwohnhilfe ihre Mietvermittlungen verdoppeln.
Nach der Liegenschaft in Wipkingen konnte die Jugendwohnhilfe 1988 eine weitere an der Sihlamtsstrasse 15 / 17 übernehmen.
Diese wurde erst kürzlich renoviert und umgebaut. Blick auf die Liegenschaft 1987 und heute.
Sigi Feigels Strategie, juristische Personen mit politischem Gewicht wie Kirchen und Parteien in den Vorstand einzubinden und Entscheide konsensuell zu fällen, sicherte die Unterstützung für die Arbeit der Jugendwohnhilfe vom linken bis zum rechten Parteispektrum ab. Während der Vorstand des Vereins ehrenamtlich arbeitete, wurde die Verwaltungsarbeit der ersten Monate in den Räumen der Israelitischen Cultusgemeinde Zürichs ehrenamtlich geleistet.
Der Aufwand war aber bald so gross, dass Sigi Feigel seine Büroräume an der Schweizergasse 6 zur Nutzung anbot. Teilzeitangestellte erledigten da dann die Arbeit der Geschäftsstelle. René Seeholzer, der in den ersten Jahren die Jugendwohnhilfe mit Verwaltungsarbeiten unterstützte, beschrieb 1994 seine Tätigkeit als «nicht zum Alltag werdende Alltagsarbeit». Wohnungen «mit Stukkaturdecken und Parkettböden» gehörten genauso zum Angebot wie «verwohnte und altersmüde Räume in Abbruchliegenschaften». Die Finanzierung der Jugendwohnhilfe der ersten Jahre setzte sich hauptsächlich zusammen aus Mieteinnahmen, städtischen Beiträgen und Spenden, die der Jugendwohnhilfe erlaubten, ihr Angebot auszubauen.
In den ersten Jahren füllte sich der Ordner mit Bewerbungen von Mietinteressentinnen und Mietinteressenten, während derjenige mit Vermietungsobjekten vergleichsweise schmal blieb. Entsprechend kam es vor, dass gleich mehrere potenzielle WG-Gruppen zu einer Besichtigung kamen und ein Vorstandsmitglied schliesslich den Entscheid für eine Gruppe treffen musste. Wenn Geschäftsführerin Margrit Diggelmann dann den positiven Bescheid an die neue WG vermittelte, kamen Sprüche wie: «das isch total de Wahn», «superlässig», «absolut gewaltig» und vor allem «danke vielmal».
Natürlich kam es bei Vermietungen auch zu Konflikten und eine Ombudsstelle vermittelte bei Problemen. Während zehn Jahren versah Walter Martinet das Amt als Ombudsmann. Als Jugendarbeiter kannte er die Sorgen und Nöte der jungen Menschen: «Die Auseinandersetzungen in den Wohngemeinschaften waren immer etwa die gleichen.» Er vermittelte beim Streit über ungewaschene Pfannen genauso wie bei unaufgeräumten Treppenhäusern oder bei einer Hausbesetzung. Auch Mietzinsausfälle waren keine Seltenheit und mussten mit mindestens einem Sechstel der Mietzinsumsätze realistisch in der Budgetplanung kalkuliert werden, da die Jugendwohnhilfe diese Ausfälle zu kompensieren hatte.
Praktisch zeitgleich mit der Jugendwohnhilfe hatte der Verein Zürcher Jugendwohnungen (VZJW) seine Arbeit aufgenommen. Nadine Zimmermann, ehemalige Präsidentin des VZJW, erinnert sich: «Aus unserer Perspektive war die Jugendwohnhilfe die finanzstarke Version von uns mit weniger problematischen Mieterinnen und Mietern.»
Tatsächlich schaffte es die Jugendwohnhilfe nach einigen Anfangsschwierigkeiten, Ende der 1980er-Jahre private Vermieter zu finden, während dieser Erfolg beim VZJW ausblieb. Dies lag laut VZJW vor allem an der unterschiedlichen Klientel: Die Jugendwohnhilfe vermietete an Auszubildende und Studierende, der VZJW nahm auch Mieterinnen und Mieter auf, die es aufgrund ihrer sozialen Randstellung – etwa Arbeitslosigkeit und Suchtproblemen – schwer hatten, eine Wohnung zu finden. Sie waren auf das «Verständnis und Entgegenkommen auf Seiten der Vermieter angewiesen».
Im Verlaufe des Jahrs 1988 hatte die Jugendwohnhilfe erreicht, was sie sich 1983 zum Ziel gesetzt hatte: Hundert vermietete Wohnungen, vermittelt als Bindeglied zwischen Jugend und Erwachsenen. Der Eintritt in den privaten Wohnungsmarkt war gelungen!