2003 - heute
Beitrag Nr. 14
BEITRAG VON PATRIK SUTER
Zahlen bieten Orientierung im komplexen Geschäftsalltag. Patrik Suter beleuchtet vier Jahrzehnte Geschichte auf der Basis der Statistik und verbindet sie mit seinem Alltag als JUWO-Geschäftsführer.
«Wow, eine Million Franken pro Mitarbeiter:in», dachte ich, als ich vor fast zehn Jahren beim Jugendwohnnetz JUWO als Geschäftsführer anfing. Nein, dabei handelt es sich nicht um den Lohn, den JUWO bezahlt, sondern um den Jahresumsatz pro Vollzeitstelle. Das hört sich nach viel an – ist es nicht. Zu beachten ist, dass die Wohnungen angemietet und an Wohngemeinschaften junger Erwachsener in Ausbildung untervermietet werden. Diese Kosten machen einen grossen Teil des Geldflusses aus. Wertschöpfung beim JUWO besteht namentlich in der Bewirtschaftung der Wohngemeinschaften und den Beratungsdienstleistungen.
Seit 1983 hat sich die Wertschöpfung beim JUWO vervielfacht, im Jahr 2022 wurden rund 22 Millionen Franken umgesetzt – das ist fast 1 Million pro Vollzeitstelle (VZS). Zwischen 1983 und 2002 sind die Zahlen der Jugendwohnhilfe berücksichtigt (2003 Fusion mit Verein Zürcher Jugendwohnungen).
Weiter relativierte sich mein Bild, als ich die Lage der Wohnungen und die Bewirtschaftungsaufwände in Betracht zog. Was nach den 1980er-Jahren mit wenigen Wohnungen anfing, wuchs bis 2003 auf 412 Wohnungen und umfasst heute ein Netzwerk mit rund 1500 Wohnungen über die ganze Stadt verteilt. Dank guten Beziehungen zu Immobilienakteuren konnte das JUWO Liegenschaften erwerben einerseits und Wohnungen kurz- und langfristig anmieten andererseits. Dieses Netzwerk hat aber auch seinen Preis bei der Bewirtschaftung. Denn die Wohnungen liegen dezentral, wir sind von der Geschäftsstelle aus überall präsent.
Heute sind die JUWO-Liegenschaften über die ganze Stadt Zürich verteilt.
Illustration aus dem JUWO-Geschäftsbericht 2022, erstellt von KreativKartell Zürich
In meinem Geschäftsalltag werde ich regelmässig auf unsere Warteliste angesprochen. Auch hierzu gibt es Erkenntnisse aus der Langzeitstatistik. Seit der Gründung vor vierzig Jahren führt JUWO eine Interessentenliste, zuerst auf Papier, später als digitale Datenbank. Sie enthielt in den letzten zehn Jahren stets über 1000 aktuelle, verifizierbare Einträge und per Ende 2022 sogar 2000. Die Entwicklung belegt den Bedarf an bezahlbarem Wohnraum für junge Erwachsene.
Wer sind die Menschen, die sich auf unsere Warteliste eintragen? Es handelt sich vor allem um Personen im Alter von 16 bis 28, die eine Ausbildung absolvieren und über weniger als 30 000 Franken Jahreseinkommen verfügen. Manche melden sich als Gruppe von Bekannten als Wohngemeinschaft an.
Auch wenn die Liste lang ist: Die Interessierten erhalten in der Regel innert einiger Monate erste Wohnungsangebote. Beim JUWO werden immer wieder Wohnplätze frei, müssen doch Bewohnende, die ihre Ausbildung abgeschlossen haben, wieder ausziehen. Die Datenbank unterstützt eine faire Wohnungsvergabe durch automatisch generierte Einladungsvorschläge und verhindert Warteschlangen bei Wohnungsbesichtigungen.
Für die Sozialberatungen ist das JUWO ebenfalls bekannt – auch dieses Angebot ist häufig Thema, wenn ich von meiner Arbeit erzähle. Seit 2002 bieten wir präventive und reaktive Beratungsdienstleistungen an. Ziel von JUWO-Sozialberatungen ist es, Eskalationen bei Konflikten in Wohngemeinschaften zu verhindern. Junge Menschen, die erstmals eine Wohnung mieten, werden von JUWO-Mitarbeitenden auf die Pflichten und Gepflogenheiten hingewiesen. Die von Sozialzentren zugewiesenen Mietenden betreuen die Begleiter:innen intensiv. Über 10 000 Menschen konnten bereits von unseren Dienstleistungen profitieren, die zu einem grossen Teil durch einen Leistungsauftrag des Sozialdepartements der Stadt Zürich finanziert werden.
Zahlen und Statistiken, die sogenannten harten Faktoren, sind unerlässlich für meine Arbeit – keine Frage. Die weichen Faktoren nehmen jedoch eine ebenso wichtige Bedeutung ein. Dazu gehört, Menschen zuzuhören, Gespräche zu führen und Probleme zu lösen, Teams zu leiten und mit Kunden Projekte für mehr bezahlbaren Wohnraum umzusetzen. So nehmen wir gegenwärtig an einem öffentlichen Wettbewerb für eine grosse, innovative Quartierentwicklung teil. Darüber hinaus gilt es, die Umfeldveränderungen im Auge zu behalten und die nötigen strategischen Anpassungen zum Wohle des JUWO und ihres Zwecks voranzubringen.
Patrik Suter ist seit 2014 Geschäftsführer des JUWO,
wo er gemeinnützige Werte mit wirtschaftlichem Handeln verbinden kann.
Er ist Betriebsökonom HWV mit MBA und begeisterter Fussballer.
Bild: Gian Vaitl