Die multimediale Zeitreise

multimediale Zeitreise

2003 - heute

Beitrag Nr. 13


BEITRAG VON DR. ANNINA SANDMEIER-WALT

«Innovativ zu sein, birgt auch immer Risiken»: JUWO zwischen Wachstum und Krisen

Mitte der 2010er-Jahre wurde das JUWO durchgeschüttelt. Es rappelte sich wieder auf und testete neue Wege. Dies sowohl im Bereich der Digitalisierung als auch mit örtlichen Expansionen. Zudem strukturierten sich die Führungsgremien im JUWO um.

Es war eine Krise, die im JUWO dazu führte, die Führungsstrukturen, den Umgang mit Risiken auf dem Wohnungsmarkt und die Akquise von Wohnungen grundsätzlich zu überdenken: Im Jahr 2014 fielen zur gleichen Zeit Geschäftsführerin, Stiftungsratspräsidentin und Vereinspräsident aus verschiedenen Gründen aus. «Das war eine Krise, als so viele Träger:innen von Know-How auf einen Schlag fehlten», erinnert sich Anita Gut, die JUWO seit über zwanzig Jahren als Vorstandsmitglied und Stiftungsrätin begleitet. «Da hätte auch viel schiefgehen können. Ein Vertrauensverlust auf Seiten der Immobilienpartner und Unsicherheiten auf der Geschäftsstelle hätten die Existenz von JUWO bedrohen können.» Doch es kam anders. Die Geschäftsstelle konnte interimistisch besetzt und die Situation stabilisiert werden. Nach dem herausfordernden Jahr für JUWO beschloss der Vorstand, die Führungsstrukturen zu stärken.

Anzahl Wohnungen

2013:       781
2017:     1245
2022:    1629

Anzahl Mieter:innen

2013:      1827
2017:      2776
2022:    3584

Mietkosten pro Mieter:in

2013:     391
2017:      413
2022:    422

Vollzeitstellen

2013:      5.8
2017:      17.0
2022:    23.9

Peter Macher

Peter Macher engagierte sich seit der Gründung der Jugendwohnhilfe für den Verein, erst als Vorstandsmitglied, später als Stiftungsrat und von 1996 bis zu seinem Tod 2016 als Stiftungspräsident. Er prägte das JUWO über 30 Jahre und verhandelte für die Stiftung viele Neukäufe. Er war SP-Politiker, Geschäftsführer des Mieterverbandes und 1981 zudem Mitgründer der Wogeno Zürich. «Peter Macher war ein herzensguter Mensch, er war sehr engagiert und präsent. Er hatte immer ein offenes Ohr für die Mitarbeiterinnen», sagt JUWO-Vorstandsmitglied Claudia Zinno. Seine Arbeit, die zentral für die Stiftung war, erledigt heute die Geschäftsstelle.

Bild: JUWO-Archiv / Urheber: Unbekannt


Umstrukturierung und neue Aufgabenteilung

Nach dem personellen Umbruch von 2014 folgte 2016 der nächste Schlag: Peter Macher, der das JUWO als Vorstandsmitglied und Stiftungspräsident über 30 Jahre stark geprägt hatte, starb. Sodann wurden Stiftung und Vorstand in Personalunion besetzt. Die Verantwortlichen waren überzeugt: Mit dem richtigen Knowhow reichte ein einziges Gremium. «Es war dafür agiler und es brauchte weniger Koordinationsbedarf zwischen Stiftung und Vorstand», sagt Anita Gut.

Fortan waren beim JUWO die Aufgaben klar geteilt: Für die Strategie war der Vorstand, für alles Operative die Geschäftsleitung zuständig. Die Mitarbeiter:innen haben heute mehr Kompetenzen als früher, Projekte werden langfristig geplant und gemanaged. Claudia Zinno arbeitete in den frühen 2000er-Jahren als Bewirtschafterin bei JUWO und ist heute Vorstandsmitglied. Sie hat den Wandel vom Kleinbetrieb zum KMU miterlebt: «Eine Entwicklung wie es das JUWO durchlaufen hat, sieht man nicht oft.» Und Patrik Suter, der das JUWO seit Herbst 2014 als Geschäftsführer leitet, sagt: «Innovativ zu sein, birgt auch immer Risiken.» Ein solches Risiko war die Expansion ab 2015.


Expansion – oder doch nicht?

In der Stadt Zürich nahm der Druck auf günstige Wohnungen in den letzten Jahren laufend zu: Die Leerwohnungsziffer sank von 0.22 2014 bis 0.07 im Jahr 2022 fast kontinuierlich, gleichzeitig stiegen die Mieten in den letzten zwanzig Jahren um etwa 40 Prozent. Warum also nicht Liegenschaften ausserhalb des Stadtgebietes ins Auge fassen? Die Idee, auch in andere Städte zu expandieren, existierte bereits um die Jahrtausendwende, war aber intern umstritten. Nach Abklärungen in Uster und Winterthur, wo JUWO letztlich keinen Bedarf für seine Dienstleistungen erkannte, startete es 2015 einen Versuch in der Zentralschweiz. In Zusammenarbeit mit der Hochschule Luzern bot JUWO Wohnraum für Mobilitätsstudierende in Rotkreuz, in der Stadt Luzern und in Hergiswil an. Dieser Fokus erwies sich für JUWO in der Umsetzung jedoch nicht als zukunftsträchtig und wurde aufgegeben. «Bei derart hohen Fluktuationen müssen Bewirtschaftung und Liegenschaften am gleichen Ort sein, sonst ist der Aufwand zu gross», erklärt Suter. «Wir haben mit dem Projekt viel gelernt, auch über unser Segment von Kundinnen und Kunden. Statt Mobilitätsstudierenden, deren Einkommen wir nicht erheben können, bieten wir allen jungen Menschen mit knappem Budget Wohnraum. Dies verlangen auch unsere Statuten.»

Universe 9, Hergiswil NW

Bilder: Neliomanda AG

Suurstoffi 18a/b, Rotkreuz ZG

Bilder: Martina Dettling


Professionalisierte Kooperation

Heute setzt JUWO weniger auf eine territoriale Expansion als auf Kooperation in verschiedenen Projekten. Denn das betriebliche Wachstum, das sich auch in der gesteigerten Professionalität und in der vermehrten Bekanntheit der Organisation niederschlug, ermöglichte JUWO auf dem Immobilienplatz Zürich und Umgebung verschiedene Projektpartnerschaften. Ein Beispiel dafür ist das FOGO (siehe JUWO-History Blog Beitrag Nr. 11 ). Das Projekt wurde mit der Stiftung Einfach Wohnen und der Asylorganisation Zürich (AOZ) entwickelt.

Seit jeher ein wichtiges Standbein von JUWO sind die Zwischennutzungen. Hierfür kooperiert das JUWO mit Wohnbaugenossenschaften, Stiftungen, Behörden und privaten Immobilienbesitzern. «JUWO pflegt dafür intensiv die Beziehungen zu Liegenschaftspartner:innen, denn an günstigen Wohnraum kommt es vor allem dank einem guten Netzwerk heran», sagt Suter.

Nebst den günstigen Mieten spielt die Lage bzw. die Anbindung an den öffentlichen Verkehr eine Rolle. Dafür haben sind die Ansprüche der Bewohnenden an Komfort und Ausstattung bescheiden. Bei Zwischennutzungen in grossen Siedlungen kommt es vor, dass JUWO innerhalb einer Woche über 100 Wohnungen räumen muss. Was früher organisatorisch unmöglich gewesen wäre, klappt heute zuverlässig: «Wir schaffen es, Wohnungen im Viertelstundentakt abzunehmen», meint Patrik Suter.

Bei der Siedlung Egli-/Hohl- und Eichbühlstrasse in Zürich mussten die Abgaben etappenweise im Wochenrhythmus über vier Monate vorgenommen werden. Die Eigentümerin Dr. Stephan à Porta-Stiftung und das JUWO als Zwischennutzer stellten sich der Herausforderung gemeinsam.

Bilder: Martina Dettling


Fortschreitende Digitalisierung und Automation

Nicht nur auf dem Immobilienmarkt braucht JUWO massgeschneiderte Lösungen, die seinen Bewohner:innen entsprechen. Auch bei der Digitalisierung hat JUWO durch die Untervermietungen andere Bedürfnisse als gewöhnliche Immobilienverwaltungen und verwendet für die Bewirtschaftung eine eigene Software. «Wir sind laufend daran, unsere Immo-Prozesse zu digitalisieren und automatisieren», sagt Claudia Jaberg, die beim JUWO in IT und Kommunikation mitarbeitet. «Nach wie vor gibt es zu viel Papier und zu viele Mails.»

Auch die Kommunikation verändert sich. JUWO betreibt zwei Social-Media-Kanäle und wird von Klient:innen zuweilen bei Google bewertet. Eine Herausforderung ist es, die unterschiedlichen Zielgruppen zu erreichen. Junge Erwachsene in Ausbildung wollen anders angesprochen werden als Investoren und private Liegenschaftenverwaltungen. «Oftmals können weder dieselben Kanäle noch dieselben Texte verwendet werden», erklärt Jaberg. «Das JUWO hat in diesem Bereich noch viel Potenzial.».

Beispiele für hervorragende Google-Bewertungen. Die durchschnittliche Bewertung liegt bei 3.7 von 5 möglichen Sternen.


Was JUWO einzigartig macht

Dass JUWO auch unsichere Jahre Mitte der 2010er-Jahren gut überstanden hat, liegt in den Augen derer, die diese Zeit beim JUWO erlebt haben, vor allem an den Mitarbeiter:innen. Von der Führungsebene bis zu den Verantwortlichen des Alltagsgeschäfts besteht ein guter Zusammenhalt. «Die Mitarbeitenden kommen vorwiegend mit dem Mindset, eine sinnstiftende Tätigkeit ausüben zu wollen», meint Jaberg. «Viele vom Team sind bereit, eine Extrameile zu gehen oder eine andere Person bei einem hohen Workload zu unterstützen.» Das bestätigt auch Patrik Suter: «Die Stärke des JUWO sind die Mitarbeiter:innen, die wie eine Familie zusammenhalten.»

Das JUWO-Team im Sommer 2022

JUWO Gruppenbild

Bild: Pirmin Henseler


Ausblick

Im Jahr 2015 wurde die Vision des JUWO-Gründers Sigi Feigel wahr: JUWO überschritt die angestrebte 1000er-Marke bei den Wohnungen. Steigende Zahlen bei den Wohnungen und Mieter:innen hatten auch steigende Stellenprozente zur Folge. Sie haben sich in den letzten zehn Jahren vervierfacht
(siehe JUWO-History Blog Beitrag Nr. 12). In den letzten drei Jahren aber plafonierten sich die Zahlen bei Mieter:innen und Wohnungen. Wird das Wachstum trotzdem weitergehen? «Hoffentlich», meint Vorstandsmitglied Claudia Zinno mit Blick auf die Wohnungssituation in Zürich. «Es wäre spannend, wenn wir ausserhalb von Zürich weiter ausbauen könnten und wichtig, das JUWO in der Gesellschaft besser bekannt zu machen.» Ähnlich ordnet Geschäftsführer Patrik Suter die Lage ein: «Der Wohnungsmarkt ist hart umkämpft, doch wir müssen optimistisch bleiben.» Präsident Jean-Marc Hensch sieht, dass die Organisation zuweilen an Grenzen stösst, betont aber auch die Erfolgsgeschichte von JUWO: «Es ist finanziell gut aufgestellt und gleichzeitig offen für Innovationen und Ideen. Mit diesem Rüstzeug und mit diesem Spirit ist das JUWO bereit für die nächsten 40 Jahre!»